Orte des Lernens

Die Geschichte unserer Schule seit 1869

Orte des Lernens

Die Geschichte unserer Schule seit 1869

Orte des Lernens

Die heutige Albert-Schweitzer-Schule in Kassel trägt diesen Namen erst seit dem 1. Juni 1956. Da war die „ASS“ gerade einmal seit 11 Jahren in dem Schulbau in der Kölnischen Straße 89 untergebracht, in dem sich zuvor über viele Jahre die Oberrealschule I befand, die zuletzt bis 1945 den Namen „Adolf-Hitler-Schule“ trug und im April 1945 von der US-Militärregierung aufgelöst wurde.

Die heute in der Kölnischen Straße 89 untergebrachte Albert-Schweitzer-Schule geht also nicht, wie vielfach bis heute angenommen wird, auf die ehemalige „Oberrealschule I“ zurück, sondern hat eine ganz eigene Geschichte unterschiedlicher Namen und Standorte über ganz Kassel verteilt.

1869 bis 1911

Die Gründung unserer Schule leitet sich aus den großen Veränderungen des 19. Jahrhunderts ab, vor allem aber aus der Industrialisierung. War etwa Mobilität zu Beginn des 19. Jahrhunderts noch geprägt von Pferd und Kutsche, wird dies um 1900 herum abgelöst von Automobil, Eisenbahn und Dampfschiff und ebenso erlebt die Welt in diesen 100 Jahren zwischen 1800 und 1900 einen unglaublichen Aufschwung in allen Bereichen des Lebens, denken wir etwa an Elektrizität, Telegraphie, moderne Kanalisationen. In „Cassel“ etwa ist es die Firma Henschel, die 1848 die erste Dampflokomotive mit dem Namen „Drache“ baute, die zugleich eine der technisch modernsten ihrer Zeit und somit ein Meisterstück der Ingenieurskunst war.

Diese Veränderungen verlangten nach neuen Schulformen mit moderner „realer“ Bildung, die sich darauf konzentrierte, dem immer größer werdenden Bedarf an gymnasial gebildeten jungen Menschen gerecht zu werden, den man als Ingenieure, Techniker, Architekten, Physiker, Großkaufleute, Banker oder Verwaltungsfachleute in allen Bereichen des Beamtenapparates benötigte. Im Vordergrund standen hier von Beginn an moderne Fremdsprachen, Mathematik und Naturwissenschaften als Kern einer „modernen“ Bildung.

Nachdem Cassel 1866 ins Königreich Preußen eingegliedert worden und Hauptstadt der preußischen Provinz Hessen-Nassau geworden war, war dies begleitet von Bevölkerungswachstum und wirtschaftlichem Aufschwung, der letztlich zur Neugründung unserer Schule führte, die am 19. April 1869 als „Realschule Erster Ordnung“ ihre Türen in einem kleinen Gebäude in der Wolfsschlucht öffnete und knapp 300 Schüler hatte. Realschule Erster Ordnung war eine Schule höherer Bildung und ist nicht vergleichbar mit heutigen Realschulen. Der Abschluss ähnelte etwa dem des heutigen „Fach-Abiturs“.

Bis 1871, dem Jahr der Gründung des Deutsches Reiches, wuchs die Schülerzahl dann so weit an, dass ein neues, größeres Schulgebäude notwendig wurde, das in der Schomburgstraße neu errichtet wurde. Zwischen 1871 und 1911 war unsere Schule dort untergebracht und wurde 1882 zum sogenannten „Realgymnasium“ aufgewertet. Der Abschluss des Realgymnasiums war dann schon fast so etwas wie unser heutiges Abitur.

1911 bis 1943/45 – Das Schulgebäude in der Wilhelmshöher Allee

Im Jahre 1911 bezog unsere Schule, das „Realgymnasium Cassel“, das dann 1926 mit der Schaffung eines zweiten Realgymnasiums in Kassel zum Realgymnasium I werden sollte, einen Neubau in der Wilhelmshöher Allee auf dem Gelände, auf dem nach dem Zweiten Weltkrieg dann die Gebäude der heute noch dort ansässigen „Jacob-Grimm-Schule“ errichtet wurden. Das alte Schulhaus in der Schomburgstraße wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört.

Unsere Schule – das Realgymnasium I – war dann zwischen 1911 und 1943/45 in der Wilhelmshöher Allee zu Hause und trug zwischen 1938 und 1945 schließlich den Namen „Paul von Hindenburg-Schule“. Bei den Luftangriffen auf Kassel im Herbst 1943 wurde das Gebäude vollständig zerstört und die Reste der Schüler- und Lehrerschaft danach bis Kriegsende in Notunterkünfte etwa in Bad Wildungen und in der Ortschaft Damm in der Nähe von Marburg ausquartiert, bis schließlich 1945 ein Barackenlager in Gemünden an der Wohra bezogen werden konnte.

Seit 1945

Im Herbst 1945 hatte die US-Militärregierung schließlich einen provisorischen „Betreuungsunterricht“ gestattet, mit dem das Schulleben unseres Gymnasiums in der Nachkriegszeit im eigentlichen Sinne wieder von Neuem begann, doch ist hier anzumerken, dass mitnichten von einem „normalen“ Unterrichtsalltag gesprochen werden kann. Vielmehr stand der Wiederaufbau der teilzerstörten Schule ganz im Vordergrund, an dem sich zahlreiche Lehrer wie Schüler im sogenannten „Arbeitseinsatz“ über Monate beteiligen mussten.

Der Wiederaufbau der Schule sollte sich noch bis Mitte der 1950er Jahre hinziehen, doch begann im Verlaufe des Jahres 1946 bereits wieder so etwas wie geregelter Unterricht, anfangs mit 300 Schülern in der Schule, die nun den Namen „Realgymnasium Kölnische Straße“ trug. 1947 fand zu Ostern die erste Abiturprüfung nach dem Weltkrieg statt.

Der Weg zum neuen Namen „Albert-Schweitzer-Schule“

Seit 1950 wurde aus der Schulgemeinde wiederholt der Wunsch nach einer Änderung des Schulnamens und in diesem Zusammenhang auch der Wunsch nach einer Benennung nach Albert Schweitzer vorgebracht.

Der damalige Leiter des Realgymnasiums Kölnische Straße, der Oberstudiendirektor Heinrich Herzog, wandte sich schließlich im August 1955 in einem Brief persönlich an Albert Schweitzer, um dessen Zustimmung für die gewünschte und erhoffte Namensgebung der Schule zu erhalten.

 Es ist des „Bemerkens“ wert, dass Heinrich Herzog mit der Namensgebung alles andere als ein Aushängeschild verband, sondern sehr viel mehr als das. Herzog formulierte hier gleichsam ein Programm wie auch eine Verpflichtung, das Schulleben im Geiste des Humanismus und des Miteinanders zu gestalten und im Kleinen jenen großen Fußspuren zu folgen, die Albert Schweitzer als Humanist hinterlassen hatte. In der Amtszeit von Heinrich Herzog finden wir dann auch in vielfältiger Weise eine Tradition des sozialen Engagements und der Hilfe für vor allem Schwächere begründet, die bis zum heutigen Tage in der Albert-Schweitzer-Schule fortdauert.

In der Mitte der 1970er Jahre begründete sich schließlich eine intensive Partnerschaft der Albert-Schweitzer-Schule mit einer Organisation, die sich bis heute in der  Entwicklungshilfe für indigene Völker vor allem in Latein- und Südamerika engagiert. Mit jährlichen Spendenaktionen in der Adventszeit unterstützt die Albert-Schweitzer-Schule seit 1975 humanitäre Projekte des „Freundeskreises“, zunächst zwischen 1975 und 1993 „Santa Ana Nichi“ (Mexiko) sowie seit 1994 „Rio Pachitea“ (Peru).

Nachdem Albert Schweitzer selbst und kurz danach auch der Magistrat der Stadt Kassel der Umbenennung des Realgymnasiums zugestimmt hatten, kam schließlich auch im Mai 1956 aus Wiesbaden vom „Hessischen Minister für Volksbildung und Erziehung“ das Einverständnis, so dass, wie Heinrich Herzog in seinem Brief vom 14. Juni 1956 an Albert Schweitzer bemerkte, „ein lang gehegter Wunsch der gesamten Schulgemeinde in Erfüllung“ gehen konnte.

Als neuen Namen, den die Schule dann ab dem 1. Juni 1956 tragen sollte, hatte das Ministerium festgesetzt:

 „Albert-Schweitzer-Schule – Gymnasium für Jungen“

Unsere Schule war seit den Tagen ihrer Gründung eine reine Jungenschule gewesen und das war sie auch noch zu der Zeit, als Mitte der 1950er Jahre die Umbenennung im Raume stand. Der spätere Untertitel im Namen sollte dann „Gymnasium für Jungen“ sein und es mag wahrscheinlich sein, dass man aus rein sprachlichen bzw. sprachästhetischen Gründen kein Namensungetüm schaffen wollte, das dann aus dem Realgymnasium Kölnische Straße das „Albert-Schweitzer-Gymnasium – Gymnasium für Jungen“ gemacht hätte.

Nach der Umbenennung im Frühsommer 1956 war dann auch letztlich der neue Name der Schule „Albert-Schweitzer-Schule – Gymnasium für Jungen“. Bis weit in die 1970er Jahre war die ASS noch fast vollständig eine Jungenschule und erst nach Einführung des Koedukationsunterrichtes Ende der 1970er Jahre entfiel dann auch der Zusatz „für Jungen“ aus dem Untertitel, so dass die Schule bis heute im amtlich-offiziellen Sprachgebrauch „Albert-Schweitzer-Schule – Gymnasium“ heißt.