Zunächst würde ich erstmal schreiben, dass es eine der schönsten, anregendsten Erfahrungen meines bisherigen Lebens war. Ich muss ehrlich gestehen, ich war vor der Reise skeptisch, ob das Gesamtkonzept überhaupt etwas für mich ist. Ich habe mich nie über den Unterricht hinaus mit der EU-Politik auseinandergesetzt und nun eine Europäische Bildungsreise? Demnach hatte ich kaum Erwartungen, aber ich kann sagen, ich bin sehr dankbar dafür, dass meine Schule mir diese Reise angeboten hat.
Die EU-Bildungsreise ist ein Angebot der Europäischen Kommission Deutschland, was 32 jungen Erwachsenen zwischen 18 und 30 Jahren, zwei aus jedem Bundesland, kostenlos die Chance ermöglicht, die EU-Kommission und die EU-Institutionen näher kennenzulernen und uns auch unsere Möglichkeiten als Europäer aufzuzeigen. Das Programm besteht aus einer weitgefächerten Variation von Besichtigungen der Institutionen, Workshops, Präsentationen, Vorstellungen und natürlich Zeit zur individuellen Gestaltung und Kennenlernen der Städte und der anderen Teilnehmer.
Die Reise begann am 25. September in Bonn. Nach dem Organisatorischen ging es zur EU-Kommission, wo wir uns zunächst alle einander vorgestellt haben. Ich denke, dass unter anderen Umständen eine Gruppe dieser Zusammensetzung nie zustande gekommen wäre, da alle wirklich nicht verschiedener hätten sein können. Nicht nur im Hinblick auf Interessen oder Alter, sondern auch auf Lebenssituation und Umstände, die zu der Reise führten. Nach der Vorstellung folgte eine klassische Einführung in die Rolle der Vertretung und die verschiedenen Institutionen der EU. Danach bekamen wir eine kleine obligatorische Stadtführung durch Bonn und schließlich ging es in ein kleines indisches Restaurant. Nach dem Abendessen hatten wir, wie die ganze Woche über, Freizeit. Ich verbrachte den Rest des Abends in der Hotellobby mit anderen Teilnehmern beim Spiele spielen. Ein Spiel, welches es uns die ganze Reise besonders angetan hatte, erlaubte es den Mitspielern, auf Karten stehende Vorurteile zuzuordnen, was besonders lustig war aufgrund des wenigen Wissens, das man über die anderen bis dato hatte.
Der nächste Tag begann nach dem Frühstück und dem Auschecken aus dem Hotel mit einem Planspiel ähnlichen Workshop, bei dem jeder von uns einen EU-Mitgliedsstaat hinsichtlich dessen Sozialleistungen vorzustellen hatte. Mittags fuhren wir mit dem Bus der belgischen Fußball-Nationalmannschaft nach Brüssel. Ziemlich amüsant, da die meisten Passanten uns durch die verdunkelten Scheiben zuwinkten, im Glauben, dass es sich bei uns tatsächlich um die Spieler der Nationalmannschaft handelte. Wir machten auch kurz einen Halt am Atomium, welches für die Expo58 erschaffen wurde. In Brüssel im Hotel angekommen, wanderten wir nach einer kurzen Pause direkt weiter zum Burger-Essen.
Brüssel ist wirklich eine bezaubernde Stadt und der erste Eindruck, im Sonnenuntergang durch die Gassen zu laufen, war natürlich geradezu perfekt. Die meisten unsrer Gruppe trafen sich abends wieder zum Spielen im kleinen Frühstücksbereich des Hotels, diesmal für Werwolf.
Am Mittwoch ging es vormittags als erstes in die Ausstellung „Experience Europe“, direkt neben dem Berlaymont-Gebäude, also dem EU-Kommissionssitz in Brüssel. In der Ausstellung hatte man die Möglichkeit sich verschiedene Videos und Videobotschaften anzusehen sowie an Aktivitäten zum Mitmachen teilzunehmen. Dann wechselten wir in die Kommission, in der wir nur ganz knapp Ursula von der Leyen und die lettische Ministerpräsidentin verpassten, zum täglichen Pressebriefing. Anschließend gab es Mittagsessen in der Cafeteria und darauf folgte ein Treffen mit der Generaldirektion für Beschäftigung und Soziales. Sabrina Ferraz-Guarino stellte uns das derzeitige „Jahr der Kompetenzen“ vor, ein wirklich spannender Vortrag mit anschließender Fragerunde. Nachmittags hatten wir Freizeit und versammelten uns schließlich abends wieder vor der Statue von Albert dem I., von wo wir uns weiter zum Abendessen in ein frisch renoviertes Restaurant in der Altstadt bewegten. Einige von uns entschlossen sich, im Anschluss noch in einen Arcade Game Laden zu gehen.
Der Donnerstag begann mit einem Besuch im Parlamentarium, einem Museum über die Entstehung der EU. Dann hatten wir ein Meeting mit einem Mitglied des Europäischen Parlaments, Prof. Dr. René Repasi. Herr Repasi ist ein sehr höflicher und auch nahbarer Politiker. Er antwortete auf jede bestehende Frage ausführlich und plausibel. Einige von uns hätten sich auch gerne noch länger mit ihm unterhalten, aber wir hatten einen straffen Zeitplan. Das Mittagsessen bestand aus dem Probieren belgischer Fritten, wohl den besten Brüssels, an der Place Jourdan. Danach hatten wir wieder etwas Freizeit und ich entschloss mich, mit einer Gruppe ins Haus der Geschichte zu gehen. Die Ausstellung war eigentlich sehr interessant und auch perfekt als Vorbereitung auf das Geschichtsabitur, jedoch war ich viel zu müde um dem Inhalt mit voller Aufmerksamkeit zu folgen. Nachmittags ging es in die sächsische Landesvertretung zu einem weiteren Meeting. Danach stand es uns frei, ob wir selbstständig zum Restaurant kommen wollten oder ob wir uns den Betreuern anschlossen. Ich lief mit ein paar anderen bei den Betreuern mit, die vor dem Parlament in den Bars einen Halt machten, um ein klassisches Feierabendbier zu trinken. Dann ging es ins kongolesische Viertel zum traditionellen Essen. Ich nahm zum Abschluss des Tages an einer kleinen Tour durch die Stadt teil, die von der in Brüssel ansässigen Betreuerin geleitet wurde. Sie brachte unsere kleine noch verbliebene Gruppe zu einem Bowlingcenter, wo wir eine Runde spielten.
Wie man merkt, habe ich dort schnell Anschluss gefunden und sehr liebe Menschen kennengelernt, die auch gemeinsam mit mir in meinen Geburtstag am nächsten, dem letzten Tag reinfeierten. Ich bekam von ihnen nicht nur unzählige Ständchen, sondern auch generell einen wundervollen Geburtstag geschenkt. Am Freitag ging es erstmal in den Rat der Europäischen Union zu einem Treffen mit dem Ratsmitarbeiter Simon Dalferth. Zusätzlich bekamen wir eine Führung durch das Besucherzentrum und das Gebäude. Von da aus liefen wir zu Tour & Taxis, dem Handels- und Ausstellungszentrum in Brüssel, zum Essen. Der nächste freiwillige Programmpunkt war abends ein Besuch des 58 Rooftop. Auf dem Panoramadach hatten wir Zeit Fotos zu machen und die Aussicht zu genießen. Letzter offizieller Programmpunkt war das letzte Abendessen am Grand-Place de Bruxelles im Le Roy d`Espagne, aus dem man den perfekten Blick auf den Platz hatte, wo an dem Abend „La fête de la fédération“ stattfand und wir so einem Konzert von einigen belgischen und französischen Musikern, wie Black M, lauschen konnten. Der offizielle Teil war somit vorbei und ich durfte mich über mehrere Überraschungen freuen. Zum einen über ein weiteres Ständchen der gesamten Gruppe, gefolgt von einer Waffel mitsamt Wunderkerze, zum anderen über die spontane Anreise meiner Eltern, die mich zum Geburtstag überraschen wollten und mit denen ich dann auch am Samstag nach einem weiteren Tag in Brüssel nach Hause gefahren bin. Bei der Gelegenheit konnten sie direkt meine neugewonnenen Freunde kennenlernen, mit denen ich noch den letzten Abend verbrachte.
Am Samstag morgen hieß es dann Abschied nehmen. Von einer völlig unerwartet schönen Woche, von tollen Erlebnissen, liebevollen und begeisterten Betreuern sowie von vielen neuen, außergewöhnlichen Menschen, die ich hoffentlich nicht zum letzten Mal gesehen habe.
Alles in allem kann ich das Fazit ziehen, welches ich mir für diese Reise insgeheim gewünscht hatte. Nicht nur mehr über die EU-Politik zu lernen und neue Perspektiven zu entdecken, sondern vor allem auch mal aus meiner Komfortzone herauszukommen und eben das zu erfahren, was etwas Mutiges verspricht. Etwas Wunderschönes, was für immer ein Teil meines Lebens bleibt.
Antonia Asmus, Q3B